Rebekka

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Ich habe endlich gelernt, dass die Meinung anderer Menschen für mein Glück nicht von Bedeutung ist. Wir sind alle nicht auf dieser Welt um uns die Liebe und Anerkennung anderer durch ein nicht authentisches Verhalten zu erkämpfen. Und wenn mich ein Mensch aufgrund meiner körperlichen Defizite nicht so akzeptiert wie ich bin, dann ist dessen Gesellschaft absolut verzichtbar.

Mein Name ist Rebekka, ich bin 27 Jahre alt und sitze aufgrund der Glasknochenkrankheit seit meinem 4. Lebensjahr im Rollstuhl. Mein Rollstuhl war für mich immer das Normalste der Welt, denn er gehörte ja von Anfang an zu mir und ich kannte kein Leben ohne Rollstuhl, da ich nahtlos vom Kinderwagen in den Rollstuhl gewechselt habe. Gleichzeitig war er aber auch der Punkt durch den ich schon sehr früh zum ersten Mal mit Body Shaming ungewollt in Berührung gekommen bin. Er war es, durch den ich sehr schnell gemerkt habe, dass man für die Gesellschaft keineswegs „normal“ ist, wenn man durch das Leben rollt. Bereits im Kindergarten war es sehr schwer dazuzugehören und das hat sich in der Schulzeit auch nicht gerade verbessert. Im Laufe der Jahre machte ich dann noch mit schmeichelnden Betitelungen wie „Krüppel“ oder „Liliputaner“ usw. meine Bekanntschaft. 

Verstehen konnte ich all diese Gehässigkeiten nie, denn aus meiner Sicht war ich immer ein ganz normales Kind wie jedes andere auch. Wie konnte ein Hilfsmittel, das schlichtweg die Funktionalität meiner Beine ersetzt, so viel Anlass zum Mobbing geben? 

Jahre später kam dann auch das Standard-Kompliment: „Du bist aber ziemlich hübsch dafür, dass Du im Rollstuhl sitzt.“ dazu – auch so ein missratener Flirtversuch bei dem ich mich frage: „Schließt das eine das andere aus oder wie?“.

Auch meine Körpergröße und meine zahlreichen Operationsnarben an den Beinen verstärkten die Liebe zu meinem Körper nicht gerade, da ich vorwiegend im Sommer, wenn man nun mal freizügige Kleidung trägt, immer wieder bemerkt  habe, dass meine Narben noch zusätzliche Blicke auf sich ziehen. Erst in der Oberstufe, in der sich dann bei Mitschülern eine gewisse Reife einstellte, ließen all diese Probleme deutlich nach. Aber selbst heute merke ich durch diverse Blicke anderer Menschen bei alltäglichen Dingen wie einer Shoppingtour noch immer, dass vor allem ein Rollstuhl nicht so ganz gewöhnlich ist. Teilweise ist es sogar so schlimm, dass sich die Menschen auch noch nach mir umdrehen und mir hinterherschauen. Meist versuche ich diese lästige Situation zu ignorieren. Wie gut mir das gelingt kommt allerdings total auf meine Tagesverfassung an, manchmal kommentiere ich solche Blicke auch mit: „Keine Sorge, es ist nicht ansteckend.“ Hier möchte ich auch ganz klar zwischen Kindern und Erwachsenen differenzieren. Kindern nehme ich solche Blicke nicht übel, da sie einfach nur die Folge ihrer kindlichen Neugier sind und Kinder haben meistens auch den Mut zu fragen weshalb ich denn im Rollstuhl sitze. Sobald ich ihnen das mal erklärt habe, ist die Sache gegessen. Das ist bei Erwachsenen leider in den seltensten Fällen der Fall. Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass mich mal ein Erwachsener angesprochen und gefragt hätte weshalb ich denn im Rollstuhl sitze. Nein, Erwachsene urteilen mit Blicken und das ist das Unangenehme daran. 

Und dann gibt es noch Situationen des Alltags in denen man gesehen werden will und aber bewusst oder unbewusst übersehen wird wie z.B. ständig beim Einkaufen an der Kasse. Ich lege immer meine zu zahlenden Produkte eigenhändig aufs Kassenband und platziere mich dann gut sichtbar direkt vor der Verkäuferin von der ich mir dann auch, wenn sie mit der Verrechnung fertig ist, den Endbetrag erwarte. Leider stelle ich immer wieder aufs Neue fest, dass so ziemlich jede Verkäuferin dann meine Begleitperson anspricht und mit dieser verrechnen will. Das ist für mich eine furchtbar lästige, wiederkehrende Situation in der ich mich immer wieder bemerkbar machen muss. 

Diese ganzen negativen Erfahrungen brachten mich irgendwann soweit, dass ich dachte, ich müsse meine körperlichen Defizite ausgleichen indem ich versuche in allen anderen Punkten dem von der Gesellschaft vorgegebenen Standard zu entsprechen. Zum Beispiel liebe ich die Farbe Pink und gestalte mein Leben auch frei nach dem Motto „Alles was nicht pink ist, hat keine Farbe.“ Diese Leidenschaft habe ich mir irgendwann bewusst verboten und versucht mich so gut es geht an die Erwartungen der anderen Menschen anzupassen. Das führte dann dazu, dass ich mich vorwiegend in neutralen, „dezenten“ Farben gekleidet habe. Über die Ausmaße dieser Entscheidung war ich mir damals wohl nicht so ganz im Klaren, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich genauso entschieden hätte, hätte ich gewusst, dass ich damit jeden glücklich mache und aber selbst auf der Strecke bleibe. Es hat schon seine Zeit gedauert bis ich endlich kapiert habe, dass ich mich nicht auf Dauer derart fremdbestimmen lassen möchte und dass mit meinem Leben auch nur ich glücklich sein muss.

All diese Erfahrungen machten meinen Alltag nicht gerade einfach, aber sie haben mich auch zu dem starken Menschen gemacht, der ich heute bin. Im Grunde genommen habe ich dadurch gelernt wie wichtig es ist mit sich selbst und seinem Leben glücklich zu sein und, dass man die Meinung anderer definitiv nicht überbewerten sollte.